Theorie des Neoliberalismus - Literaturnotizen#

Autor: Biebricher, Thomas
Title: Die politische Theorie des Neoliberalismus
ZoteroID: biebricher00PoliticalTheory2018
Verlag: suhrkamp taschenbuch wissenschaft

Einleitung#

“The greatest trick the devil ever pulled was convincing the world that he doesn’t exist.” ~Brian Singer, „The Usual Suspects“

  • ähnlich ist Neoliberalismus

Heutiger Zustand:

  • keine bekennenden Neoliberalen

  • politisches Diffamierungsinstrument

  • nur von Kritikern genutzt (bspw. Chomsky)

Was ist Neoloberalismus#

  • aufgrund Polymorphismus schwierige Definition

  • erste Erwähnung: Walter-Lippmann Kolloqium 1938

Historie#

Neoliberalismus = Reaktion auf den Niedergang des Liberalismus

  • Rückschlag: Weltwirtschaftskrise 1930 weil Laissez-Faire

  • Kontext: New Deal Roosevelts und aufkommende Kriegswirtschaft

    • zeigte, dass auch Markteingriffe funktionieren können

    • Sozialversicherungssysteme wurden eingeführt

  • Aufstieg des Keynesianismus

  • politische Landschaft: Kommunismus (SU), Faschismus (DE, IT)

Feld der Gegner#

zentraler Feind = Kollektivismus

  • Konfliktlinie: Liberalismus <-> Totalitarismus

  • moderate planerische Elemente = Weg zur Knechtschaft (Hayek)

  • slippery slope!

aber:

Die Aufrechterhaltung des Wettbewerbs ist sehr wohl auch mit einem ausgedehnten Sozialsystem vereinbar - solange dieses so organisiert ist, dass es den Wettbewerb nicht einschränkt ~ Hayek, Road to Serfdom, S. 60

  • wo ist die Grenze zu ziehen?

Keynes einzige Kritik:

sie geben hier und da zu, dass die Frage ist, wo man die Linie zieht. Sie stimmen zu, dass die Linie [zwischen Unternehmensfreiheit und Planung] gezogen werden muss und das logische Extrem keine Option darstellt. Aber sie geben uns keinerlei Hinweis, wo diese Linie zu ziehen ist.

Das Neue in Neoliberalismus#

  • keine Pure Laissez-Faire des Liberalismus

  • aber auch keinen sozialen Liberalismus

  • NL = inharänt politisch

    • Strukturierung soziale Umfeld

    • Demokratie

    • welche staatliche Politik?

das neoliberale Denken in 4 Elementen: Staat, Demokratie, Wissenschaft, Politik

Staat#

Handlungsoptionen (Positivagenda)#

= robuster Schiedsrichter (S. 55)

  • autoritarive und unparteiliche Durchsetzung der Spielregeln

  • darf sich nicht Ball schnappen und Tor machen

  • in Realität = fließender Übergang


Friedmans Prinzipien des Staates: (S.57)

  1. Sicherheit garantieren

  2. individuelle Freiheit (abwesenheit von Zwang)

  3. paternalistisches Handeln für nicht selbstverantwortliche (Kinder)

  4. Bekämpfung Externalitäten / Nachbarschaftseffekte (Vermeidung und Kompensation)

    • extrem weites Fled mit potentiell starken Eingriffen!

    • braucht andauerndes Monitoring der Gegebenheiten

Regelsetzer und Schiedsrichter => aktiver Marktpolizist


Eucken und Ordoliberale Aufgaben des Staates: (S. 62)

  • Antimonopolistisch

  • Externalitäten (aber weniger als bei Friedman)

  • fiskalische Umverteilung, um Produktion nicht nur Luxusgüter

  • möglicherweise Mindestlohn

    • da Arbeitslohn in Krisenzeiten sinkt

    • führt zu Ausweitung des Angebotes (Bestreitung der Lebenskosten)

    • und nicht weniger Arbeit!

    • Staat darf eingreifen

Außerdem: Gewerkschaften

[wenn Gewerkschaften] dazu beitragen, nachfragemonopolistische Situation auszugleichen, und Löhne durchzusetzen, die den Wettbewerbslöhnen entsprechen, so tragen sie zur Realisierung der Wettbewerbsordnung bei

Walter Eucken, Grundsätze S.323

Alles, was Wettbewerbsordnung stärkt ist gut


Röpke und Rüstow: (S. 65)

  • antimonopolistisch

  • liberale Interventionismus (Anpassungsintervention)

    • Unterstüzung von Strukturwandel

    • unterscheidet sich teilweise kaum von Sozialpolitik

    • bspw. Arbeitsmarktpolitik

    • Aber: wie weiß der Staat das (Informationsproblem)

Staat = Schiedsrichter, der auch mal kicken darf


Insgesamt:

  • Friedmans Externalitäten

  • Euckens regulative Prinzipien

  • Rüstows Interventionismus

= großer Handlungspielraum

Handlungsbeschränkungen (Negativagenda)#

wie sollen Eingriffe beschänkt werden?

Rüstow + Eucken = Marktmechanismus nicht einschänken

  • Preisfunktion beibehalten

  • oder kleineres Übel bei 2 Interventionen


Hayek: Rechtstaatprinzip, insbesondere Gleichheit

  • findet jedoch kein gutes Kriterium (S. 80)

  • argumentiert aber trotzdem gegen progressiven Steuersatz (S.81)

    • Rüstow argumentiert dafür


Buchanan: ausgeglichener Haushalt (S.84) = Schuldenbremse

  • ohne direkte Kürzungsvorgaben

  • weil demokratisches Beschneiden der Hanldungsfreiheit

  • als Reaktion auf begrenzte Selbstdisziplin von Handlungsführern

    • fast undemokratisch?

    • mangelt Flexibilität


Ordoliberale präferieren autoritäre Staaten (S. 109)

  • die eine staatliche Aufgabe (Wettbewerb) widerspricht demokratischen prinzipien

  • und er muss autonom gegenüber wirtschaftlichen Mächten sein

Konfliktlinien Hayek (S.112)

  • Autoritär <-> demokratisch (wie ist die Macht verteilt: einzelne vs viele)

  • liberal <-> totalitär (wie viel Macht haben Machthaber)

Hayek denkt, dass Demokratie automatisch zu Totalitarismus führt (Verfassung der Freiheit)

daher würde ich persönlich einem liberalen Diktator einer demokratischen Regierung vorziehen, der es an Liberalität mangelt

Hayek, Chile 1981 (Pinochet Diktatur)

im Gegenteil (meine Gedanken):

  • Demokratie sichert gegen Totalitarismus ab

  • da der Worst Case durch die demokratische Wahl immer verhindert werden

  • Demokratie = Absicherung gegen Totalitarismus


insgesamt: Normalisierung des Autoritarismus (S.115)

  • Herunterspielen der totalitären Tendenzen autoritärer Regime

  • Betonung der Gefahren der Demokratie

  • => wie Carl Schmitt (Staat muss stark sein, um Ökonomie zu widerstehen)

Widerspruch zwischen:

  • Wettbewerb der Jurisdiktionen und Dezentralisierung

    • bedingt schwache Macht gegenüber Monopolisten

  • und starkem Nationalstaat

    • der mächtigen Unternehmen entgegentreten kann

liberale Staatstheorie = schwächelt

Demokratie#

stellt Problem für funktionierende Märkte dar (repräsentative Demokratie)

aufgrund zweier Tendenzen

Machtfülle der Demokratie#

Hayek, Friedman, Buchanan: Demokratie = uneingeschränkte Macht der Mehrheit

  • Verwischung der Gewaltenteilung

  • langsamer Verfall Richtung Totalitarismus (S. 124)

  • Tyrannei der Mehrheit

  • Aber: Wiederwahlsicherung beschränkt Politiker in Demontage!

    • Wettbewerb der Parteien = Absicherung

Pluralismus#

Rüstow + Röpke: Pluralismus -> Partikularinteressen (S.128)

Zerfall der Demokratie, da der Staat der damit beginnt, die wilden Tiere der organisierten Geschäftsinteressen zu füttern, letztlich von ihnen verschlungen wird

~Rüstow, General Sociological Causes S. 277

Aber: Schumpeters Parteienwettbewerb führt zu Mehrmeitsparteien, die sich mittig positionieren => gegen Partikularinteressen

Dummheit der Massen#

Massen verstehen Feinheiten des Wirtschaftsgefüges nicht und können nicht die Wichtigkeit mancher Regeln durchblicken

tendieren sie als Masse dazu, gerade die funktionsfähigen Ordnungen zu zerstören

~Eucken Grundsätze S. 16

  • zutiefst antidemokratische Sichtweise = Herrschaft des Pöbels (Aristoteles)

  • offene Gesellschaft und ihre Feinde würde sie dazuzählen

Exkurs Schuldenbremse#

  • Kosten der Investitionen für zukünftige Generationen sollten von diesen (mit)getragen werden

  • Entpolitisierung der Haushaltsfrage

    • Verfassungsregel lässt sich nicht (leicht) ändern

Demokratietheoretisches Argument Majones#

Konzept über Arten von Gesetzen

  • regulative Gesetze (Standards etc) = Pareto effizient, stellen niemanden schlechter

    • kann man dem demokratischen Diskurs enziehen

  • redistributive Gesetze (Steuern etc) = Gewinner und Verlierer

    • sollten Teil der Demokratischen Entscheidungsfindung sein

Schuldenbremse erzeugt Austerität = hat Gewinner und Verlierer

=> sollte demokratisch permanent drüber entschieden werden!

Demokratie durch Märkte ersetzen#

Argument: Markt ist effizienter Transmissionsmechanismus

  • Man wird nicht überstimmt (jeder Dollar zählt irgendwo)

  • kann Stimme aufteilen

  • kein Konsens nötig (im Markt)

Direktdemokratie#

mehr direktdemokratische Elemente, insbesondere Referenden (S.158)

Grund: Parteien umgehen

  • Parteien = Partikularinteressen, ermöglichen Lobbyismus

  • gegen politische Eliten = populistisch

Wissenschaft#

Wissenschaft als Rechtfertigungs und Legitimationsquelle? (S.161)

  • Vorteile einer wissenschaftlichen Argumentation

  • Risiken gegenüber dem „wissenschaftlichen Sozialismus“

  • und Risiken des falsch verstandenen „Szientismus“